Von Nha Trang über den Seewolkenpass bis nach Hue
Vietnam/Hanoi 7.7.2013
Nha Trang hatte mich bei meiner Ankunft mit seiner wirklich sehenswerten Kulisse überrascht. Ich hatte mir wenig erwartet und wurde im Vorfeld auch schon zur Vorsicht gemahnt, wollte aber dennoch nicht achtlos an dieser Stadt vorbeiziehen. Mein hohes Hotel lag in bester Lage direkt vor dem Stadtstrand und bot einen sagenhaften Blick auf die große Bucht und einige der vorgelagerten Inseln. Rundherum am Festland erheben sich größere Berge und das Gesamtbild mit dem langen Strand und den vielen Inseln im Meer ist beeindruckend. Es waren viele Touristen in der Stadt und wo viele Touristen sind, da trifft man in Vietnam auch meist auf das unendlich lästige Schlepperunwesen. Laufend, das heißt im Minutentakt, wurden mir Motorbikes, Ausflüge, Frauen, Obst oder sonstige Dinge angeboten, ohne dass ich irgendein Interesse bekundet hätte. Ich kann jetzt gut verstehen, dass sich viele Frauen bei ständiger Anmache genervt fühlen müssen. Als Mann hatte ich es hier noch leichter, denn wenn die Typen zu aufdringlich wurden, wusste ich mich gut zu wehren und verschaffte mir deutlichen Respekt, ich war ja auch um einiges größer und kräftiger als die meisten Männer hier. Aber auch Frauen konnten sehr lästig werden, wenn sie etwas verkaufen wollten. Dieses Szenario spielte sich tagsüber ab, des Nachts wurde dann noch einmal ein Gang zugelegt auf anderen Ebenen, aber das bekam ich kaum mit, da ich zu diesen Zeiten fast gar nicht unterwegs war. Jedenfalls war es sowohl bei Tag als auch fast noch mehr bei Nacht laut und aufdringlich. Das ist eben in Vietnam die Realität, hier glaubt man offenbar, je lauter etwas ist, desto besser ist es und desto mehr Touristen zieht es an. Da kann es schon vorkommen, dass dein Hotel mitten in der Nacht von irgendeinem Discolautsprecher plötzlich von lauter Musik beschallt wird, es ist schier unglaublich. Mein Hotel hatte außer der tollen Lage und einem schönen Zimmer mit Superblick genau nichts zu bieten. Jetzt könnte man meinen, das wäre ohnehin schon viel, aber die Anzahl der Sterne und der Preis hatten mehr versprochen. Das Internet am Zimmer funktionierte nicht, das Frühstücksbuffet wurde nicht ordentlich nachgefüllt, wenn man etwas holen ging, wurde der Rest in der Zwischenzeit abgeräumt, die Tischdecken waren total schmutzig und wurden nicht getauscht und, und, und. Es war zwecklos, sich zu beschweren, weil dich ohnehin niemand verstanden hätte, die Kenntnis der englischen Sprache war hier ziemliche Mangelware. Solche und ähnliche Dinge trübten meinen bisherigen Aufenthalt in Vietnam schon immer wieder, da konnten auch die vielen tollen Erlebnisse und Naturschönheiten des Landes nicht darüber hinweg täuschen. Hung hatte mir einmal erklärt, dass angeblich nur zwei Prozent der Vietnam-Urlauber wieder kommen würden. Ob das nun stimmte oder nicht, ich könnte es gut verstehen, falls dies so wäre. Wenn es allerdings um das Geld geht, dann sind die Vietnamesen sehr schnell bei der Sache und meinen teils, europäisches Niveau anstreben zu müssen, ohne jedoch die entsprechende Qualität mitanzubieten. Geld scheint somit offenbar fast überall in der Welt ein großes Problem darzustellen, der Mangel ist offenkundig, sonst würden nicht so viele Menschen verzweifelt dahinter her rennen. Aber auf diese Art und Weise lässt sich das nicht lösen, da wird alles nur noch schlimmer. Der Stadtstrand und die herrliche Promenade waren wirklich sehr schön anzuschauen, auch die alleeartigen Straßen fügten sich gut ins Bild, doch diese Art Strandromantik mit Liegen gegen Gebühr und Getränken vom Ober gefiel mir schon in Italien nicht und noch weniger im vom Russen heimgesuchten Nha Trang. Zudem mutmaßte ich, dass das Wasser in Stadtnähe nicht das allersauberste sein würde und ein Baden an diesem Strand kam für mich überhaupt nicht in Frage. Zu unternehmen gab es in der Hitze aber dennoch viel und ich startete am ersten Tag gleich mit dem Besuch der prachtvollen Kathedrale, die auf einer kleinen Erhebung über dem Bahnhof liegt. Ich war erstaunt, welch prächtiges Bauwerk ich nach einigem Suchen hier vorfand. Die zwischen den Jahren 1928 und 1933 im französisch-gotischen Stil errichtete Kirche bestand bloß aus einfachen Zementblöcken, wirkte aber elegant. Besonders fielen mir die farbenprächtigen Fenster auf, die mich sogar an das Blau von Chartres erinnerten. Nach so vielen Pagoden und Tempeln war es interessant, wieder einmal eine christliche Kirche im Vergleich von innen zu sehen: ganz anders aber architektonisch beeindruckend. Danach traf ich Herrn Le Dong mit Frau, den Besitzer einer kleinen Reiseagentur, den ich in Mui Ne kennen gelernt und der mich nun zu einem Drink eingeladen hatte. Bei solchen Gesprächen konnte ich viel über das Land erfahren und neue Pläne besprechen. Gleich am nächsten Morgen besuchte ich sein Büro in Nha Trang und buchte eine Inseltour, wofür die Stadt bekannt ist. Dann wanderte ich quer durch die Stadt vorbei an der Cai-Flussmündung mit bunten Schiffen und kam zu den Ponagar-Cham Türmen. Diese stammen aus der Zeit zwischen dem 7. und 12. Jahrhundert und sind einer Göttin des Dua-Volks gewidmet. Sie stehen auf einer kleinen Anhöhe aus Granitgestein. Die Türme weisen mit Inschriften versehene Steinplatten auf, die von der Geschichte und Religion der Cham erzählen, was ich sehr beeindruckend fand. Der ursprünglich viel größere Gebäudekomplex wurde immer wieder zerstört und später jeweils neu errichtet. Alle Tempel blicken nach Osten und noch heute kommen Cham und Buddhisten in die Anlage, um zu beten oder traditionelle Opfergaben darzubringen. Es war drückend heiß in Nha Trang, was mich keineswegs daran hinderte mit einem weiteren längeren Fußmarsch durch die lebhafte Stadt zur Long Son Pagode zu gelangen. Im Reiseführer als beeindruckend beschrieben, war ich an Ort und Stelle ein wenig enttäuscht. Zwar gefielen mir das Eingangsportal und die Anlage als Gesamtes, der Tempel selbst war allerdings nicht weiter aufregend. Es tummelten sich wie üblich an allen möglichen Stellen furchterregende Drachen aus Glas und Keramikfliesen. Das Besondere an der Anlage war zweifelsohne der auf einem Hügel hinter der Pagode sitzende weiße Buddha, der von fast allen Punkten der Stadt gut sichtbar war. Die steilen Steintreppen hinaufzusteigen lohnte sich in jedem Fall, denn von der Plattform der 14 m hohen Statue genoss ich einen wunderbaren Ausblick auf Nha Trang und seine ländliche Umgebung. Rund um die Statue sah ich die Reliefbüsten mehrerer buddhistischer Mönche, die sich im Jahr 1963 selbst verbrannten. Am nächsten Morgen wurde ich vom Hotel abgeholt und wir fuhren zum Hafen, von wo aus es zur Schnorcheltour ging. Die vielen kleinen küstennahen Inseln rund um Nha Trang sind für ihr glasklares Wasser bekannt. Unser Boot voll mit Touristen aus den verschiedensten Ländern legte zur Inseltour ab. Ich traf ein Schweizer Paar, das sich ebenfalls auf Weltreise befand, und freute mich, wieder einmal deutsch sprechen zu können. Wir hatten drei verschiedene Stopps zum Schnorcheln und tatsächlich war das Wasser klar. Ich sah eine Reihe bunter Fische, Korallen und auch größere Fischarten. Es war herrlich warm und sich nach dem Schwimmen an Deck zu sonnen, war ein Vergnügen. Rundherum ankerten viele weitere Boote, die auch Tauchausflüge und Partys anboten. Bei uns gab es ein Mittagessen an Deck und der Besuch einer Fischfarm stand auf dem Programm. Nach vielen Stunden am Wasser tuckerten wir dann am späteren Nachmittag wieder gemütlich in den Hafen zurück. Das glitzernde Wasser und die schöne Skyline von Nha Trang boten ein schillerndes Bild. Der Ausflug hatte mir sehr gut gefallen und ich war froh, mich zum Schnorcheln entschieden zu haben. Die achttägige Motorradtour mit Hung meinem Easy Rider hinauf in den Norden bis nach Hue in Zentralvietnam stand kurz der Tür, daher trat ich am letzten Tag meines Aufenthalts in Nha Trang etwas kürzer. Schließlich holte er mich wie vereinbart nach fünf Tagen wieder ab. Meine Maschine war mit dem Bus von Da Lat „angeliefert“ worden und stand startklar vor dem Hotel, ein tolles Service. Lustigerweise starteten wir nochmals in Richtung Süden und zwar zurück nach Da Lat über einen 1500 m hohen Pass, damit hatte ich keineswegs gerechnet. Doch es sollte sich lohnen, die Landschaft war wunderschön. Zunächst besuchten wir eine kleine Dorfgemeinschaft einer der 54 Minderheiten Vietnams. Die Lebensumstände sind wirklich erbärmlich, Unterstützung vom Staat gibt es laut Hung eine nur sehr geringe. Einer der Männer klagte über permanente Kopfschmerzen und bat Hung, beim nächsten Besuch ein passendes Medikament vorbei zu bringen, was dieser versprach. Ich hatte noch ein kleines Geschenk dabei, das war aber nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Von den zahllosen Kindern konnte nur eines in die Schule gehen, eine fast ausweglose Situation. Weiter ging es in Richtung Passanstieg, als uns plötzlich mit lautem Sirenengeheul ständig Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge überholten. Doch zunächst war keine Ursache dafür zu erkennen. Die Bergstraße lag einladend vor uns und es war eine Freude, sie Schritt für Schritt zu erklimmen. Auf rund 600 m Seehöhe bot sich dann in einer steilen Kurve das Bild des Schreckens. Ein lokaler Bus mit Einheimischen war gegen einen riesigen Felsbrocken geprallt, ein schwerer Unfall mit sieben Toten, wie wir am nächsten Tag erfuhren. Ich hatte schon so oft von den vielen katastrophalen Unfällen in Vietnam gehört, aber jetzt war es das erste Mal, das ich auch tatsächlich einen erlebte und es sollte nicht der letzte bleiben. Mich wunderte es nicht, denn wie schon beschrieben, die Vietnamesen fahren rücksichtslos und oft ohne Hirn. Bei diesem Unfall musste der Fahrer, der auch getötet worden war, viel zu schnell die Passstraße bergab gefahren sein, denn der Bus krachte geradewegs auf der anderen Straßenseite gegen einen Felsen. Es gab für mich eigentlich nur zwei mögliche Ursachen, entweder zu schnell unterwegs oder technisches Versagen, ich tippte auf ersteres. Ein wenig geschockt fuhr ich weiter, aber letztendlich fühlte ich mich dennoch sicher, denn mein Bewusstsein unterscheidet sich ganz krass von jenem der meisten Vietnamesen. Ich bin für Unfälle welcher Art auch immer nicht wirklich anfällig. Das ist meine Sicherheit bei allem was ich tue, ein Blick nach innen im richtigen Moment. Kurz vor der Passhöhe tauchten leider Regenwolken auf und es wurde deutlich kühler, ein schönes Erlebnis blieb es trotzdem. Im Tal schien die Sonne und der Fernblick war fantastisch, rund um uns herum lag jetzt der dunkle Dschungel. Über dem Pass dann der obligate starke Regen, den wir zu einer kleine Pause nutzten. In der Nähe von Da Lat wurde es wieder besser und lose Wolken tanzten um die Bergeshöhen fast in Augenhöhe mit uns. Dass ich noch einmal ins schöne Da Lat und Umland kommen würde, damit hatte ich wahrlich nicht gerechnet, umso mehr genoss ich es am nächsten Morgen. Das Wetter hatte sich wieder beruhigt und wir fuhren über Berg und Tal vorbei an schönen Kaffeeplantagen und alles strahlte im satten Grün. Es machte richtig Spaß, wenn das Wetter passte und die Straßen nicht zu schlecht waren. Am Nachmittag besuchten wir wieder ein kleines Dorf einer Minderheit. Ich staunte jedes Mal, mit welch primitiven Methoden hier noch gearbeitet wird, immerhin schreiben wir das Jahr 2013. Dann und wann blieben wir bei kleinen Besonderheiten entlang der Strecke stehen. Eine wackelige kleine Brücke aus Bambusrohr über einen Bach musste ich unbedingt ausprobieren. Hier mit dem Motorrad zu queren, das wäre schon ein Abenteuer für mich gewesen, für einen Vietnamesen eine Kleinigkeit. Als nächstes passierten wir ein schwimmendes Fischerdorf an einem trüben See. Die Menschen leben ganzjährig am Wasser und betreiben auch Landwirtschaft am Wasser. Wenn ich mich richtig erinnere, waren diese Leute vom Mekong-Delta hier her gekommen. Es gibt eben viele Arten und Möglichkeiten, sein Zuhause zu gestalten. Hier hatte ich wieder eine faszinierende Variante kennen gelernt. Weiter durchkreuzten wir fruchtbares landwirtschaftliches Gebiet, ehe wir an unserem Tagesziel der kleinen Stadt Lien Son in der Dak Lak Provinz eintrafen. Den wunderschönen Lak-See hatte ich schon bei der Anfahrt wohlwollend zur Kenntnis genommen. Die ländliche Idylle rund um den Yok-Don Nationalpark ist so beeindruckend, dass Kaiser Bao Dai hier einen seiner weiteren Paläste bauen ließ. Der See als großes natürliches Wasserreservoir nimmt in der Regenzeit eine Fläche von ca. 700 ha ein und schrumpft in der Trockenzeit auf ungefähr 400 ha. Rundherum grasen Rinder und liegen Reisfelder. Es gibt Dörfer ethnischer Minderheiten, die auch eine Anlaufstelle für Touristen anbieten. Diese Plätze mied ich wie gewöhnlich, denn überall wo sich die Touristen häufen, wird es zunehmend unverschämt und das interessierte mich überhaupt nicht. Gleich in der Nähe von Lien Son liegt ein traditionelles Mnong-Dorf mit Pfahlhäusern. Dort spielten auf der „Straße“ unzählige kleine schwarze Ferkel, die sich später in den schützenden Schatten der Pfahlbauten begaben. Sie fraßen sich an auf dem Boden liegenden Reiskörnern satt. Hier kann man auch Schlafsäle – besser ausgedrückt – eine dreckige Matratze zum Schlafen für zehn Dollar buchen. Abgesehen davon, dass es in den Bauten unerträglich heiß war, ist der Preis eindeutig zu hoch. Aber so ein Angebot würde ich nicht einmal geschenkt annehmen. Hung hatte es mir gegenüber im Vorfeld erwähnt, doch wusste er gleich, dass ich es kategorisch ablehnen würde. Für manche Menschen bedeutet so etwas Abenteuer und Natürlichkeit, ich kann auf solche Rückschritte gerne verzichten. Es wurden auch Elefantenritte angeboten, aber auch in diesem Fall – wie schon in einem früheren Bericht beschrieben – ist die Grenze zur Tierquälerei eine sehr nahe. Die meisten Menschen wissen nicht, wofür Elefanten wirklich geeignet sind oder nicht, und allzu häufig entsteht durch ihre scheinbare Robustheit ein vollkommen falsches Bild. Am späteren Vormittag verließen wir die idyllische Gegend und zogen Richtung Norden weiter. Wir passierten nochmals die große Stadt Buon Ma Thuot, die schon bei der ersten Tour auf unserer Route lag, aber dieses Mal ging es steil nach Norden weiter. Auch hier am Land gab es viele rücksichtslose Lastwagenfahrer, die einen manchmal so knapp überholten, dass nur ein Hauch für eine Katastrophe fehlte. Wir folgten wieder der Ho-Chi-Minh Road, die stark befahren und in einem erbärmlichen Zustand war, das war anstrengend. Dann stoppte Hung bei einem Bekannten und führte mir eine Riesenschlange vor, die er sich auch gleich um den Hals legte. Ich wollte davon nichts wissen. Immer wieder traf ich in Vietnam auf martialisch wirkende Denkmäler im sowjetischen Stil, die an die vietnamesischen Heldentaten im Krieg erinnern sollten und manchmal auch der gefallenen Soldaten gedachten. Das war für mich wenig beeindruckend und weniger wäre hier mehr gewesen. Wir verließen die Dak Lak Provinz und betraten die Gia Lai Provinz. Endlich war das Etppenziel Chu Se, eine kleine bedeutungslose schmutzige Kleinstadt, erreicht. Die Etappe war zu lang an diesem Tag und ich war hundemüde. Abends hatte ich mit Hung eine Diskussion, da mir die Hotels oft zu mies waren und ich dies auch anfangs der Reise deponiert hatte. Er behauptete in Folge immer, es gäbe keine bessere Alternative, doch das stimmte nur teilweise, denn die Vietnamesen sind einfach Sparmeister und wollen immer so günstig wie möglich wegkommen, auch auf Kosten eines angenehmeren Lebens. Das stand aber in deutlichem Gegensatz zu meinen Vorstellungen von Reisen. Die Debatte mit Hung hatte meine Stimmung ein wenig getrübt und es erwies sich fortan als eindeutig für mich, dass es zwecklos war, Kritik anzubringen oder Verbesserungen vorzuschlagen. Die Vietnamesen sind sehr eigensinnig und lassen sich wenig sagen, auch wenn sie dabei untergehen sollten. Sie wollen zwar das Geld der Touristen, doch der Servicegedanke ist noch wenig ausgeprägt. Ich hätte meinem Guide so viel mitteilen können zu seinem Vorteil, wie er erfolgreicher werden könnte, aber es war offenkundig, dass kein Bewusstsein bei ihm dafür vorhanden war. So bewegte ich mich in dem engen Band, dass er zuließ und war froh, selber nicht so lernunwillig zu sein, welch Unterschied im Leben! Der neue vierte Tag brachte zum Glück eine kürzere Fahrstrecke und auch die Aussicht auf eine bessere Unterkunft am Abend. Hung zeigte mir nochmals eine Kautschukbaumplantage, von denen es in Vietnam offenbar einige gibt, und erklärte mir im Detail, wie die Flüssigkeit von den Bäumen gewonnen wird. Wir näherten uns Pleiku, der Hauptstadt der Gia Lai Provinz, die wir gerade durchquerten und legten vorher noch einen kurzen Stopp beim Pleiku-Ocean Lake einem natürlichen Trinkwasserreservoir ein. Der See sah sehr romantisch und ungewöhnlich sauber aus, ein direkter Zugang war leider nicht möglich. Pleiku selbst ist wenig attraktiv und wir fuhren nur über die Hauptstraße durch. Die Stadt war im Krieg niedergebrannt und später mit sowjetischer Unterstützung wieder aufgebaut worden, was alles erklärt. Bald darauf erreichten wir die Stadt Kon Tum, wo wir die Nacht verbrachten. Hier gefiel mir schon die Einfahrt über einen breiten Fluss viel besser und auch die Landschaft war schön. Kon Tum hat vielleicht an die 150.000 Einwohner und der Ort erschien mir ungewöhnlich ruhig und sauber, eine angenehme Abwechslung. Da es noch früh am Nachmittag war, sah ich mir gleich einige Sehenswürdigkeiten an. Die Kathedrale der Unbefleckten Empfängnis ist eine sehenswerte französische Holzkirche mit dunkler Fassade. Sie steht auf einem offenen freien Platz und wird vorwiegend von den umliegenden Bergvölkern besucht. Innen war mir aufgefallen, dass sie Sitzreihen in allen vier Himmelsrichtungen hat, so etwas hatte ich vorher auch noch nicht gesehen. Gleich hinter der Kathedrale befindet sich ein Waisenhaus, das mir für vietnamesische Verhältnisse einen sehr guten Eindruck machte. Es wird von Ordensschwestern geleitet. In Kon Tum gibt es am Stadtrand auch einige rong-Häuser, das sind große strohgedeckte Gemeinschaftsgebäude auf Pfählen, die ursprünglich zum Schutz vor Elefanten, Tigern und weiteren Tieren gebaut wurden. Ich kletterte auf ein verschlossenes rong-Haus hinauf, was aufgrund der spitzen schrägen Holzstufen gar nicht einfach war, und warf einen Blick durch einen Spalt. In einer anderen Siedlung fand ich ein belebtes Haus, wo mich ein paar lustige Jugendliche zu einem Drink und Fotos einluden. Diese Häuser wurden von den Minderheiten als gesellige Treffpunkte genutzt und diesen Zweck konnten sie sehr gut erfüllen. Mir gefiel das. Bei der Rückfahrt kamen wir bei einem Fußballplatz vorbei, wo gerade ein lokales Derby ausgetragen wurde. Der Platz war mehr eine „Gstettn“ und teils mit Müll verschmutzt. So schlecht spielten die beiden Mannschaften dann aber gar nicht. Es fiel sogar ein Tor während meiner Anwesenheit. Diese Gegend war sehr bäuerlich geprägt und einfach, doch das sagte mir weit mehr zu als laute und uniforme Stadtmonster. Zum Abschluss fuhr ich noch auf die Hängebrücke über den leisen Fluss und genoss die Abendstimmung, bevor wir dann in ein nettes kleines Hotel mit dem Namen „Green Hotel“ abbogen. Der Name passte gut zur Umgebung. Wir folgten am fünften Tag weiter der Ho-Chi-Minh Road geradewegs nach Norden, um nach Kham Duc zu gelangen. Leider begann es wieder heftig zu regnen, und Hung war so besonnen, sich mit mir unter einem Hausvordach unterzustellen. Das hatten wir schon öfter gemacht und ich war immer wieder erstaunt, dass die jeweiligen Besitzer offenbar nichts daran fanden. Auch hier kam die Hauseigentümerin ein wenig später nach Hause und Hung sprach mit ihr, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, dass wir hier ein schützendes Dach gefunden hatten. Später trafen weitere Verwandte ein und wir wurden auf einen Tee eingeladen. Das war schon einzigartig. Als der Regen nachließ, fuhren wir weiter und kamen bald darauf in einen Ort, der wiederum ein martialisch wirkendes Kriegsdenkmal mit Panzern rundherum und heroischen Propagandainschriften zur Schau stellte. Obwohl lange her ist der Krieg noch allgegenwärtig in Vietnam. Ich machte ein paar Fotos, weil es spektakulär aussah, aber im Grunde hatte ich genug davon. Ein wenig später neuerlich ein Kriegsrelikt, eine verlassene Landebahn der Amerikaner neben Berghängen. Auch diese wirkte mitten in den Plantagen ziemlich eindrucksvoll. Die Landschaft war jetzt sehr schön, Berge in finsteren Wolken abwechselnd mit sonnigen Abschnitten, wo es gleich ziemlich heiß wurde. Die laotische Grenze war sehr nahe, vielleicht 15 km entfernt. Letztendlich mussten wir das Regengewand anlassen, denn ständig war die Gefahr eines heftigen Regengusses gegeben. An einer wackeligen Hängebrücke aus Holz in sehr schlechtem Zustand übte ich mein Gleichgewicht. Es war schon nicht leicht, zu Fuß zu queren, doch die lokale Bevölkerung fuhr mit den Bikes darüber, was ich als lebensgefährlich einstufte, aber hier hatte man offenbar keine Wahl. Das Panorama wurde immer wildromantischer, wir überquerten kleine Pässe, fuhren an Wasserfällen und terrassierten Reisfeldern vorbei und alles sah sehr wie von Zauberhand erschaffen aus. Nach ausgiebigem Frühstück steuerten wir am folgenden Morgen die hübsche historische Stadt Hoi An an der Küste an. Wir folgten einem Flusslauf entlang eines Tales und es ging ständig auf und ab. Ein unschöner Staudamm war mitten in die Landschaft platziert und nahm dem Gewässer das meiste Wasser. So ragten bizarre Fels- und Gesteinsformationen aus dem Flussbett, was irgendwie unwirklich aber interessant aussah. Der Dschungel blieb ganz nah. An einer Brücke eines Talübergangs gab es eine kleine Raststation, wo wir kurz anhielten. Der findige Betreiber fasste einen Teil des herabfließenden Wassers in Schläuche und Lastwagenfahrer konnten so ihre Gefährte gegen ein geringes Entgelt säubern. Ein steiler kleiner Wasserfall stürzte ins Tal und am Flussufer im Tal versuchten Goldsucher ihr Glück. Hier konnte jeder nach Gold schürfen, wenn er wollte. In Kham Duc, wo wir übernachtet hatten, waren zahlreiche Beschäftigte einer größeren Goldmine untergebracht gewesen. Das erklärte auch, warum dort ein neues recht brauchbares Hotel errichtet worden war. Später zeigte mir Hung neuerlich eine kleine Minderheitensiedlung am Fluss. Wie üblich gab es viele Kinder und frei herumlaufende Schweine. Die Kinder freuten sich meist, und ein besonders aufgeweckter Kleiner versuchte, mir alles zu zeigen und lockte die anderen Bewohner herbei. Ich machte Fotos und hinterließ ein kleines Präsent. Nun verließen wir den bisherigen Flusslauf und die Landschaft änderte sich. Es wurde sehr heiß und wie aus dem Nichts tauchten Ananasfarmen auf. In einem kleinen Laden probierten wir ein paar. Danach plötzlich wieder viel Grünland mit Reis- und Gemüseanbau. Eine schlechte holprige Straße führte ins Umfeld Hoi Ans und nach einigen Kilometern auf der stark befahrenen Hauptroute erreichten wir den schönen Ort. Hoi An hat mir als Kleinstadt von Beginn an gut gefallen. Ich schlenderte durch einen Tempel und ging abends mit Hung durch die wunderschön beleuchtete Stadt. Es war weniger Verkehr als gewohnt und alles wirkte mehr harmonisch und entspannter. In den 1990er Jahren startete hier ein Wirtschaftsboom, der die lokale Wirtschaft völlig veränderte. Heute ist Hoi An einer der reichsten Orte des Landes und ein Touristenmagnet ohnegleichen. Die Altstadt mit ihren wackligen japanischen Handelshäusern, den chinesischen Tempeln und den alten Teelagern hat sich wie durch ein Wunder ihr erstaunliches Erbe bewahrt. Doch auch die Tourismusindustrie fordert ihren Tribut. Es gibt Unmengen von Bars, kleinen Boutique-Hotels, Agenturen und Reisebüros. Vor allem aber beherrschen hunderte Schneiderbetriebe das Bild der Stadt, wo sich teils bis spät in die Nacht die Touristen tummeln. Diese Szene ist hier vollkommen außer Kontrolle geraten und der Überblick nicht einfach. Kopiert wird auf Wunsch alles. Ein Bild vom letzten Anzug von James Bond und ein paar Tage später liegt das perfekt imitierte Stück zum Abholen bereit. Trotzdem heißt es aufpassen, denn es ist nicht alles Gold was glänzt. Wie so oft in Vietnam sind Betrug und Fälschung eine ständige Gefahr. Die fertige Ware wird auf Wunsch auch gerne nach Hause in die Heimat geschickt. Ich habe mir ein paar Läden aus Neugier näher angesehen und denke, dass man hier durchaus hätte kaufen können, wenn Bedarf bestünde. Ich hatte allerdings nicht den geringsten Bedarf und war froh, keine Anzüge tragen zu müssen. In der Nähe von Hoi An liegt My Son, Vietnams Ort mit den größten Cham-Ruinen. My Son wurde im späten 4. Jahrhundert als religiöses Zentrum errichtet und war bis zum 13. Jahrhundert kontinuierlich bewohnt. Keine andere Kulturstätte in Südostasien hatte eine längere Wirkungsperiode. Es liegt in einem schönen üppig-grünen Tal, doch sind die Tempel trotz zahlreicher Restaurierungsarbeiten in einem schlechten Zustand. Obwohl mir die Anlage schon auch gefiel, war ich ob der schlechten Verhältnisse ein wenig enttäuscht. Die Tempel sind Teil des UNESCO-Weltkulturerbes, hier bleibt allerdings noch viel Arbeit offen. Bei der Rückfahrt entdeckte ich einen faszinierenden Privattempel wie ich vermutete. Der Besitzer erlaubte mir den Zutritt und ich sah mich um. Unglaublich was Privatpersonen in religiöse Symbole investieren. Er war sauber, sehr schön gearbeitet und äußerst farbenfroh. Dann gab es entlang eines Hügels wunderbare Steinformationen zu bewundern, die mich an unser Waldviertel in Österreich erinnerten. Wieder in Hoi An zurück fuhren wir kurz an den Strand, der mich keinesfalls überzeugen konnte. Er war zwar ausnahmsweise nicht besonders schmutzig, aber wahrscheinlich auch nicht gerade rein, denn unter den Palmen saßen massenhaft Einheimische in voller Montur und „kampierten“ auf ihren Kinderstühlen mit Kindertischen. Es war ein Höllenbetrieb und alle Beteiligten versuchten, ein Stück vom großen Geldkuchen zu erhaschen. Das war absolut nicht meine Welt und ich ergriff wieder die Flucht. Hoi An ist dennoch ein romantischer Fleck und am Weg zurück ins Hotel passierten wir noch einige magische Punkte. Ich sah eine Reihe von Touristen mit dem Fahrrad die Gegend erkunden, was hier ganz leicht möglich ist. In einer kleinen Agentur buchte ich dann meinen Flug von Da Nang nach Hanoi, da leider der Flughafen von Hue geschlossen war. Das Ticket war nicht mehr als ein kopierter Zettel. Abends spazierten wir nochmals durch die schöne bunte Stadt und Hung fand endlich sein Lieblingsrestaurant, das angeblich den besten Fried Rice weit und breit kochen konnte. Es war der letzte Tag der achttägigen Easy Rider Tour mit Hung und gleichzeitig einer der beeindruckendsten bisher. Wir streiften die Großstadt Da Nang und überquerten den Hai-Van Pass. Dieser Pass, den ich bereits unter dem Namen „Seewolkenpass“ kannte, liegt 30 km nördlich von Da Nang und ist knappe 500 m hoch. Bei der Auffahrt kann man wahrlich atemberaubende Ausblicke auf die darunterliegende Bucht und die Ausläufer einer Gebirgskette genießen, die ins Meer abfallen. Im Hintergrund ist jeweils die ebenfalls außergewöhnlich schöne Silhouette von Da Nang zu erkennen. Man braucht allerdings ein wenig Glück, um das alles sehen zu können, denn wie sein Name schon andeutet, ist der Berg samt Pass oft in Wolken gehüllt. Wir hatten das notwendige Glück und die Sonne lachte vom Himmel. Es gibt auch eine Bahnstrecke mit einigen Tunneln, die am unteren Ende des Berghanges der wunderbaren einsamen Küste folgt. Als ich dann von oben einen langen Zug die Strecke langsam entlangkriechen sah, ergab das ein sensationelles Bild. Seit dem Jahr 2005 ist auch der mehr als sechs Kilometer lange Hai-Van Tunnel in Betrieb, der die Fahrzeit zwischen Da Nang und Hue um eine Stunde verkürzt. Der Pass bildet im Winter die Klimagrenze zwischen Nord- und Südvietnam und schützt Da Nang vor rauen chinesischen Winden aus dem Nordosten. Als wir die Ausfallstraße von Da Nang zum Pass entlangfuhren, sah ich erstmals in natura von der Ferne die Gebirgskette. Tiefblaues Meer mit feinem Sand zeigte sich an der nun einsehbaren Küste. Ein paar Frachtschiffe ankerten in einer Bucht. Ich war so begeistert, dass ich an einem Eisenbahnübergang stoppte, um Fotos zu machen, bis mich der erzürnte Bahnschrankenwärter wieder verscheuchte. Es kümmerte mich wenig. Dann zogen wir Schritt für Schritt hoch und der Ausblick wurde immer prächtiger. Ich legte zahlreiche Fotostopps ein und auf der Passhöhe angekommen, konnte ich auf einmal auf zwei Küstenebenen hinunterblicken. Auf der nördlichen Seite war die schöne Bergstraße fantastisch von oben einzusehen und sehr langsam kroch der Zug am Bergrücken voran. Das Timing unserer Fahrt war einfach perfekt, alles passte bestens. Auch die Abfahrt gestaltete sich für mich sensationell und fast unten angekommen, mussten wir warten, denn der Bahnschranken war geschlossen. Der Zug hatte es geschafft und konnte nun wieder in der Ebene weitertingeln. Eine große Seebrücke stellte die Verbindung zur nördlichen Tunneleinfahrt her. In diesen Buchten konnte ich seit langer Zeit wieder Strände erkennen, die mir hätten gefallen können, soferne sie zugänglich sind, was ich aber nicht wusste. Nach diesem Top-Highlight war es schwer, noch irgendetwas Nennenswertes zu entdecken, obwohl die Landschaft frisch und grün war. In einem Reisfeld lag ein umgestürzter LKW. Das sah nicht gut aus. Wir erreichten am frühen Nachmittag die Kaiserstadt Hue, in der mir ausnahmsweise einmal Hung ein wirklich schönes Hotel vermittelt hatte, eines der feinsten und sympathischsten bisher. Unsere gemeinsame Reise war zu Ende. In der Lobby machte ich noch ein paar Abschiedsfotos, bevor er zu seinem Schwager aufbrach, der in Hue lebte. Am nächsten Mittag ging sein Schlafbus zurück nach Da Lat mit den beiden Maschinen im Gepäck, wo er eineinhalb Tage später ankommen sollte. Ich war mehr als zufrieden nach diesem herrlichen Erlebnis und freute mich auf die Tage in Hue. Hier hatte ich schon eine Reihe von Plänen. |